Es ist einer von vielen Ausrastern bei Protesten der Letzten Generation: In Stralsund verliert ein LKW-Fahrer im Sommer die Nerven und zieht Aktivisten von der Straße. Das Gericht verhängt nun eine Geldstrafe und ein Fahrverbot. Ein anderes Vergehen wird nicht geahndet.
Wow. Aus dem Stehen wieder anfahren, um einen Menschen anzugreifen, und dabei sein Leben aufs Spiel setzen, also vorsätzlich gefährliche Körperverletzung gibt Geldstrafe.
Aber sich auf die Straße kleben, wodurch wegen einer konstruierten zweiten Reihe Leute nicht mit ihrem Auto weiterfahren können gibt gerne auch Haftstrafen.
Man könnte meinen Artikel 1 GG lautet “Das Auto des Menschen ist unantastbar”.
Artikel nicht gelesen? Der LKW-Fahrer wurde explizit nicht für das Anfahren verurteilt, aus Mangel an Beweisen dafür dass er dies mit dem Vorsatz der Körperverletzung tat. Davon kann man halten was man will, aber „vorsätzliche Körperverletzung gibt Geldstrafe“ ist in diesem Fall faktisch falsch.
Ich habe mal einen Unfall als Zeuge mitbekommen, bei dem ein rechtsabbiegendes Auto ein kreuzendes Fahrrad angefahren hat. Der Fahrradstreifen war von der Straße durch eine Reihe Pflanzkästen teilweise verdeckt und das Fahrrad hatte kein Licht und keine Reflektoren im Dunkeln. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass die besondere Gefährderhaftung dennoch eine fahrlässige Körperverletzung begründet, und der Fahrer wurde zu einer Geldstrafe verurteilt.
Das Urteil im aktuellen Fall ist für mich daher nur als politisch motiviertes Urteil begreifbar, indem das Gericht die Tatsachen gezielt falsch interpretiert, um ein mildes Urteil begründen zu können. Das Gericht weiß, dass es sonst so eine geringe Geldstrafe nicht begründen könnte und versucht sich aus meiner Sicht durch eine schräge Interpretation abzusichern.
Wenn man Menschen auf der Straße schon erkannt und deswegen angehalten hat, ist es aus meiner Sicht hirnrissig, anzunehmen, dass die ja schon nicht mehr da sein werden, weil man sie körperlich angegriffen hat.
Ich hoffe, dass dieses Urteil in der Berufungsinstanz auseinandergenommen wird.
Bin kein Jurist, aber das Problem könnte sein, dass sowohl versuchte Körperverletzung als auch fahrlässige Körperverletzung hier nicht anwendbar sind. Bei dem von dir geschilderten Fall war es ja auch “nur” fahrlässige Körperverletzung, aber hier wurde anscheinend keiner verletzt. Alleine deswegen sollte man, wenn man in solchen Fällen Opfer ist auch kleinere Verletzungen wie Prellungen zu Protokoll geben, aber ohne Verletzten auch keine fahrlässige Körperverletzung.
Es bleibt also nur versuchte Körperverletzung. Nach meinem Rechtsempfinden nimmt jemand, der einfach wieder anfährt während er damit rechnen muss, dass Personen vorm Fahrzug sind, billigend in Kauf diese zu verletzen. Von daher wäre der Versuch der Körperverletzung, eventuell sogar gefährlichen Körperverletzung gegeben. Das Gericht sah das anscheinend anders.
Ich glaube wir können den LKW als Waffe sehen die geeignet ist zu töten und es wäre noch gefährlich. Wenn es überhaupt versuchte gefährliche Körperverletzung gibt
Die Reduktion auf eine Nötigung ist rechtlich imho tatsächlich schwierig, es gäbe genug andere Straftatbestände die zutreffen - genauso wie das Anführen des fehlenden Vorsatzes - der Vorsatz ist hier ja nicht erheblich,da die potentiellen Straftaten alle auch fahrlässig begangen werden können bzw. es im Regelfall im Straßenverkehr sogar werden. Faktisch sind durchaus andere Straftatbestände denkbar (und mich würde wundern wenn die LG keinerlei Verletzungen zu Protokoll gegeben hat bzw. den beteiligten Beamten keinerlei Verletzungen auffielen).
Aber oftmals ist die Berichterstattung auch so schlecht,dass für mich gilt: Ich bin sehr auf die schriftliche Urteilsbegründung gespannt.
Bei letzte Generation hat zu der Zeit als Teil der Deeskalationsstrategie oft auf Anzeige verzichtet.
Dann anders: der Letzten Generation unterstellt man praktisch Terrorismus, wohingegen der LKW Fahrer - also ein Berufskraftfahrer der regelmäßig seinen Führerschein auffrischen muss - angeblich nicht ob der Gefahr seines Gefährtes wissen kann. Schon absurd.
Die regelmäßige Auffrischung des Führerscheins betrifft aber nicht das Fahren selbst. (Das sollte jemand, der das beruflich macht, können. Wer eine Fortbildung braucht, um die damit verbundenen Gefahren zu kennen, sollte nie einen Führerschein bekommen haben)
Die vorgeschriebene Fortbildung beinhaltet andere für den gewerblichen Güterverkehr relevante Themen, wie Vorschriften zu Lenkzeiten, Ladungssicherung und Ähnliches. Außerdem ist, je nach Gewichtsklasse und Alter (bis 7,5t erst ab 50), eine medizinische Tauglichkeitsuntersuchung vorgeschrieben.
Was ich damit sagen wollte: bei so jemandem kann man jetzt weder unterstellen, dass er halt keine Fahrpraxis hat noch, dass sein Theoriewissen 60 Jahre zurück liegt. Wenn Oma Frida nach dem Tod ihres Mannes nach 40 Jahren das erste mal wieder am Steuer sitzt, kann man ja vlt. noch mit “die konnte das nicht einschätzen” abtun. (Auch wenn man selbst dann vlt. soviel Verstand verlangen sollte, dass man in dem Fall freiwillig auffrischt oder die Finger vom Auto lässt.) Aber bei einem Profi kann (und sollte, mMn) man schon härter vorgehen. Wenn man schon von einem Profi keinen sachgemäßen Umgang erwarten kann, wie zum Fick sollte man dann jemals von einem “Laien” irgendwas erwarten? Da kann man ja quasi bei jedem normalo Autofahrer Vorsatz einfach weglassen, weil “kann der ja nicht wissen, dass das passiert”.